
HSV-Frauen
28.11.23
Vorbild auf und neben dem Platz
Seit 2019 spielt Sarah Stöckmann bei den HSV-Frauen – und hat von Beginn an eine Führungsrolle bei den Rothosen eingenommen, wie in der HSVlive nachzulesen ist.
Im Grunde wurde es Sarah Stöckmann bereits in die Wiege gelegt, Menschen anzuführen – zumindest in ihrer Familie. Beide Elternteile waren in Stöckmanns Kindheit berufstätig, all ihre Cousinen sind jünger, und auch Stöckmanns Schwester Sina wurde nach ihr geboren. „Es liegt in der Natur der Sache, dass die große Schwester Verantwortung übernimmt“, schlussfolgert die 30-Jährige, die so schon früh lernte, sich nicht nur für die eigenen Belange, sondern die einer Gruppe einzusetzen.
Das zeigte sich auch schnell auf dem Fußballplatz: Mit fünf Jahren absolvierte „Stöcki“, wie sie von ihren Teamkolleginnen genannt wird, ihre erste Partie, bis zur C-Jugend spielte sie nur mit Jungs – und wurde relativ schnell zur Kapitänin ernannt. Ihre damaligen Aufgaben hatten jedoch weniger mit ihrem heutigen Amt bei den HSV-Frauen gemein, erinnert sich die gebürtige Walsroderin schmunzelnd: „Ich musste vor allem aufpassen, dass die Jungs nicht so viel Quatsch machen.“ Dass sie als einziges Mädchen im Team vollends akzeptiert und auf ihre Ansagen gehört wurde, habe sie dabei schon etwas stolz gemacht.
Die kommenden Jahre verliefen rasant: Mit 14 Jahren absolvierte Stöckmann ihr erstes Frauen-Spiel und erlebte in den folgenden Jahren einige Aufstiege, parallel spielte sie eine gewisse Zeit auch Handball und probierte sich im Tennis aus. Mit 16 Jahren folgte der Wechsel zum TSV Immenbeck. Anfangs wurde Stöckmann von Familienmitgliedern gefahren, mit Beginn der Volljährigkeit zog sie in ihre neue sportliche Heimat. Damit verbunden: Der Abschied aus dem gewohnten Umfeld, das nun immerhin 80 Kilometer entfernt war.
Neue Stadt, neues Team, neue Schule – „es hat mich enorm reifen lassen, plötzlich auf eigenen Beinen stehen zu müssen“, blickt die HSV-Kapitänin zurück, die sich jedoch auch in der neuen Umgebung schnell zu einer Führungsspielerin entwickelte.
Nach fünf Jahren sollte mit dem Wechsel zum SV Henstedt-Ulzburg in die 2. Bundesliga der nächste Schritt folgen, parallel zu Stöckmanns Zeit beim Team aus Schleswig-Holstein endete jedoch auch ihre Ausbildung zur Erzieherin – und ihre Prioritäten verschoben sich. Stöckmann trat eine Stelle in einer Kita an, ihre Vorstellungen der weiteren sportlichen Ausrichtung und die des SVHU deckten sich nach gewisser Zeit nicht mehr zu hundert Prozent.
Die Linksverteidigerin wechselte zum VfL Jesteburg, der unmittelbar ihrer Heimat in der Regionalliga antrat. Der Fokus lag vorerst auf der Arbeit in der Kita, Stöckmann absolvierte eine Fortbildung als Führungskraft und stieg zur stellvertretenden Leiterin auf: „Der Job als Erzieherin hat mir als Person viel geschenkt. Man lernt, den Moment zu genießen und sich an Kleinigkeiten zu erfreuen, was Kinder oft tun“, sagt Stöckmann, die zu dieser Phase ihres Lebens mit dieser Rolle total ausgefüllt war. Und dann kam der HSV.
„Es hat sofort gekribbelt, als ich vom Angebot des HSV gehört habe“, sagt die offensivfreudige Verteidigerin, die schließlich 2019 zu den Rothosen wechselte. Und aus dem Team seitdem nicht mehr wegzudenken ist: Woche für Woche beackert „Stöcki“ den linken Flügel und bedient ihre Kolleginnen mit scharfen Flanken, hinten lässt sie wenig anbrennen – und geht als Führungsspielerin voran. Zunächst als Vertreterin im Teamrat aktiv, trägt die 30-Jährige nun bereits in der zweiten Saison die Kapitäninnenbinde.
„Es ist eine sehr große Wertschätzung und Ehre, als Kapitänin für solch einen großen Verein auflaufen zu dürfen“, betont Stöckmann, die stets auf das Wohl ihrer Mitmenschen bedacht ist, stolz. Und das muss nicht nur auf dem Platz geschehen. So bemerkte sie beispielsweise einmal auf der Busfahrt zu einem Auswärtsspiel während einer kurzen Pause, dass die Fahrerin den Bus behütete, anstatt sich für den langen Rückweg etwas zu essen zu besorgen – Stöckmann schaltete schnell und besorgte Nervennahrung in Form von Kuchen, um der Fahrerin den weiteren Weg zu versüßen. „Es ist mein eigener Anspruch, dafür zu sorgen, dass es allen gut geht“, sagt Stöckmann. „Als Kapitänin muss man überall reinhorchen, ein Gefühl für die Gruppe entwickeln und vorangehen.“
Auf ihrem bisherigen Weg schaute sich Stöckmann viel von älteren Spielerinnen ab, beim HSV wurde sie etwa durch ihre gemeinsame Zeit mit der langjährigen Bundesliga-Spielerin Anne van Bonn geprägt. Nun tritt die 30-Jährige als Vorbild auf und neben dem Platz auf, an dem sich ihre jüngeren Mitspielerinnen orientieren können. Und der Weg soll noch weitergehen: Ein paar Jahre erhofft sie sich schon noch auf diesem fußballerischen Niveau – „wenn mein Körper mitspielt“, wie Stöckmann mit einem Lächeln hinzufügt.